Das Ringen um gute Worte

Unsere Sprache ist etwas Wunderbares - wie gehen wir mit ihr um?

 

 

Die Plakatslogans der Bürgermeister*innenwahl in Münster habe ich immer noch deutlich vor Augen: "Endlich ein Bürgermeister, der macht!" verkündet die eine Seite stolz. Die andere Seite kontert "mit Maß und Mitte". Sind den Werbeleuten die Doppeldeutigkeiten nicht aufgefallen? Wie dicht die Nähe zum Toilettensitz ist und zum Mittel-Maß? Unsere Sprache bietet viel, auch Zwei-Deutiges. Ein sorgfältiger Blick von allen Seiten kann lohnend sein. Dann wird das Gesagte (oder Geschriebene) auch mehr das Gemeinte.

Andereseits: wissen wir, was wir meinen, wenn wir sprechen oder schreiben? Die im wahrsten Sinne des Wortes "unbedachten" Äußerungen pflastern als Sprechblasen die Luft. Kaum ein Durchkommen durch soviel Gesagtes und Nicht-Gemeintes. Oder Gemeines. Oder Gemeinplätze. Da freuen sich die Ohren, wenn sie etwas hören "mit Sinn und Verstand" oder "aus dem Herzen".

 

Inventur im Wort-Schatz

Die Wortschatz-Truhe gehört ab und zu mal durchgelüftet und aussortiert. Was da so alles drin ist und sich festgesetzt hat auf dem Boden der Truhe! Mir fällt als erstes in die Hände ein sperriges man, obwohl ich doch von mir spreche. OK, raus damit. Ich lege dafür lieber ein paar Ich's hinein. Dahinter kann man... kann ich mich weniger verstecken, ich beziehe Position, zeige mich, werde in der Sprache sichtbar. Ein guter Anfang!

 

Das beliebte und verinnerlichte muß liegt in einer Ecke der Truhe. Ich nehme es und lege es zur Seite. Den freigewordenen Platz fülle ich mit ich will, ich werde und ich entscheide mich für... Gleich sieht mein Wort-Schatz schon viel aufgeräumter aus! Und da ich jetzt nicht mehr weiterräumen muß, sonder will, genieße ich den Flow des Entrümpelns und finde gleich noch ein paar Negativformulierungen.

 

Unbeschwert ersetze ich durch "leicht", Grenzenlos durch "frei". Diese Schublade in meiner Truhe ist ergiebig, da findet sich so einiges, gleich noch ersetze ich ein das war doch gar nicht so schlecht durch ein "das war gut"!

 

Staunend sitze ich neben der Truhe und schaue auf den Stapel Worte, die ich aussortiert habe. Ach, wo ich doch schon mal dabei bin! Entschlossen lege ich noch ein Toll und ein Wahnsinn und ein Bombenwetter auf den Stapel. Gutgemeinte Wörter, die aber einen gar nicht positiven Hintergrund haben (die Nervenheilanstalten vergangener Zeiten blitzen hier durch und der Krieg, wo bei blauem Himmel die Bomben fielen...).

Auch vorschlagen und anschneiden habe ich in der Hand. Anschneiden lege ich wieder zurück, nehme mir aber vor, es nur noch für Tortenzwecke herauszukramen oder für Brot. Themen möchte ich in Zukunft lieber besprechen - und nicht mehr anschneiden...

 

Freiraum nutzen

Das macht richtig Spaß! Und weil wirklich mehr Platz in der Truhe ist, kommen jetzt ein paar Worte hinein, die mich mit ihrem Klang erfreuen und mit dem, was sie in sich tragen:

Blütenschneien, wenn im Mai die Kirschbäume ihre weißen und rose Blütenblätter bei Wind zu Boden schneien lassen.

Meeresrauschen, da entspannt mich das Wort schon.

Kummerkasten, weil mir die Vorstellung gefällt, das Kummer sich ausdrücken kann und dann in papierener Form in einen Kasten wandert.

 

So langsam schließe ich die Truhe. Gehe weiter auf Schatzsuche, zum Beispiel hier.

 

Wann wirst du sortieren, sammeln und deinen Wort-Schatz heben? Vielleicht ja jeden Tag ein bißchen, es hat ja schließlich auch lange gedauert, bis die Truhe sich so teilweise rumpelig gefüllt hat. Und viele andere Menschen haben ihren Wort-Müll gleich auch noch bei uns abgeladen. Und wir haben ihn schön brav einsortiert und behalten. Oder Mode-Worte haben uns gelockt mit ihrem coolen Klang. Da bin ich irgendwie lost, finde es total krass.

 

Oder vielleicht auch mit Kategorien beginnen, zum Beispiel einzelnen Buchstaben? So könnten wir das W von Wut einfach mal herumdrehen und hätten gleich mehr Mut zur Verfügung. Oder die Kategorie Füllwörter und -formulierungen: ein ich sag mal so... schafft doch gleich jede Menge Platz!

 

Auf jeden Fall: viel Spaß beim Suchen, Finden und Ersetzen!

 

Literaturtipp:

A.M. Textor: Sag es treffender

Ein Handbuch mit über 57 000 Verweisen auf sinnverwandte Wörter und Ausdrücke für den täglichen Gebrauch